Der Umbau von Verbrennerfahrzeugen auf Elektroantrieb ist dabei, sein bisheriges Nischendasein hinter sich zu lassen. Einen Beitrag zur weiteren Professionalisierung wollen Johannes Hübner, Udo Kessler und Philip Schuster leisten. Als Autoren des Buches „Deep Dive Elektroumbau“ erläutern sie im Gespräch Hintergründe und Bedeutung des Themas.
Worum geht es im Buch „Deep Dive Elektroumbau“?
Udo Kessler: Zum einen wollen wir in einem bisher nicht erreichten Detailgrad erläutern, wie ein Elektroumbau abläuft – damit Interessierte genau einschätzen können, ob sie ein solches Projekt in Angriff nehmen sollten. Zum anderen möchten wir deutlich machen, dass Umbauten auch unter den Aspekten Klimaschutz und Ressourcenschonung absolut sinnvoll, ja notwendig sind.
Wie kamen Sie darauf, dieses Guidebook zu schreiben?
Johannes Hübner: Udo hat sowohl Philip als auch mich angesprochen, ob wir ihm bei seinem Projekt helfen wollen, da wir das ja schon mal gemacht hatten. Gemeinsam kamen wir dann auf die Idee, den Umbau zu dokumentieren. Zwar tauschen sich viele Leute schon auf openinverter.org aus, einer von mir gegründeten digitalen Plattform. Aber wir sind der Meinung, dass wir mithilfe des Buches das Thema Elektroumbau noch bekannter machen und neue Zielgruppen erreichen können. Und das ist wichtig.
Für wen haben Sie das Buch geschrieben?
Philip Schuster: Für alle, die etwas von Autos verstehen und über Erfahrung als „Schrauber“ verfügen – Leute also, die gerne mal selbst Hand an ihr Fahrzeug legen. Und das sind in Deutschland bekanntlich sehr viele. Hinzu kommen Leute, die das Ziel verfolgen, ihre individuelle Mobilität möglichst klimafreundlich zu gestalten.
Was bringt der Umbau eines Verbrenners auf Elektro der Umwelt?
Udo Kessler: Der energiebedingte CO2-Fußabdruck pro Kopf und Jahr liegt in Deutschland bei etwa 11,2 Tonnen. Nach unseren Berechnungen lässt er sich durch den Umbau des Volvo 850 auf 3,4 Tonnen pro Jahr reduzieren – kalkuliert auf fünf Jahre. Es lohnt sich also, Bestandsfahrzeuge umzubauen, statt sie zu verschrotten oder nach Afrika zu exportieren, wo sie die Umwelt weiter belasten. Deshalb wollen wir mit unserem Buch auch möglichst viele Fachleute motivieren, den Umbauprozess weiter zu standardisieren und zu vereinfachen. Das würde Umbauten schneller und kostengünstiger machen und sie könnten in der etwa 20-jährigen Übergangsphase zur Elektromobilität einen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Wie teuer ist ein Umbau?
Philip Schuster: Das hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel von der angestrebten Reichweite des Fahrzeugs. Je größer die Reichweite, desto größer muss die Antriebsbatterie sein – die teuerste Komponente bei einem Umbau. Was man für unsere bisherigen Projekte sagen kann: Die Kosten lagen zwischen 15.000 und 20.000 Euro. Umbauten sind also ein vergleichsweise kostengünstiger Weg, auf ein Elektrofahrzeug umzusteigen. Auch das ist ein wichtiger Aspekt, um den Umstieg auf nachhaltige Mobilität zu beschleunigen.
Inwiefern unterscheiden sich Ihre Elektroumbauten von denen professioneller Umrüstbetriebe, die ab 50.000 Euro aufwärts kosten?
Johannes Hübner: Beim Konzept unterscheiden wir uns eigentlich nur dadurch, dass wir so weit wie möglich Gebrauchtkomponenten nutzen – damit der Umweltbeitrag möglichst groß ist. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied: Umrüstbetriebe müssen in ihrer Kalkulation natürlich die Arbeitszeit berücksichtigen. Das treibt den Preis in die Höhe. Wir tun das nicht, denn es würde dem Geist eines privaten Umbauprojekts widersprechen.
Wie viele Stunden haben Sie in den Umbau Ihrer Autos investiert?
Udo Kessler: Darüber haben wir nicht genau Buch geführt. Und wie bei den Kosten hängt der zeitliche Aufwand von vielen Faktoren ab. Aber um einmal eine Hausnummer zu nennen: mit etwa 300 Stunden, verteilt über mehrere Monate, ist auf jeden Fall zu rechnen – je nach Dimension des Projekts und abhängig von den eigenen Fähigkeiten.
Wie viel Erfahrung benötigt man, um ein Auto auf Elektroantrieb umzubauen? Schafft das auch jemand mit wenig technischem Verständnis?
Philip Schuster: Technisches Verständnis und „Schrauber“-Erfahrungen sind auf jeden Fall wichtige Voraussetzungen. Grundsätzlich gilt allerdings: Ein Elektroumbau ist nichts für Einzelkämpfer. Zu breit sind die Anforderungen an Wissen und Fertigkeiten. Beim Volvo-Projekt habe ich meine Kenntnisse rund um die Mechanik eingebracht. Johannes war dagegen der Software-Experte. Eine wichtige Rolle in einem Umbauprojekt spielt zudem die „Community“ auf openinverter.org. Dort bekommt man auf fast jede Frage eine Antwort.
Kann man denn alles alleine umbauen? Oder ist ab und an eine helfende Hand notwendig?
Philip Schuster: Auf jeden Fall ist professionelle Hilfe erforderlich. Denn selbst die bestens ausgestattete Hobbywerkstatt eines Schraubers muss bei manchen Werkzeugen und Technologien passen, zum Beispiel, wenn es um Batterieboxen, Adapterplatten oder Hochvoltkabel geht. Daher hatte Udo auch ein Netz an Partnern – zum Beispiel einen Schlosser, einen Blechbearbeitungs- sowie einen Elektrofachbetrieb.
Woher bekommt man die Komponenten für den Umbau?
Udo Kessler: In keiner anderen Branche ist das Angebot an Gebrauchtkomponenten und Ersatzteilen so groß wie rund ums Auto. Und was seit Jahrzehnten für den Verbrenner gilt, trifft in zunehmendem Maß auch auf Elektrofahrzeuge zu. Mit den stark steigenden Zulassungszahlen wächst das Angebot an Gebrauchtkomponenten im Internet. Das heißt nicht, dass es immer leicht ist, ein bestimmtes Teil zu finden. Aber mit etwas Geduld klappt‘s.
Ein Elektrofahrzeug fährt ja mit Strom. Ist der Umbau eines Autos da nicht gefährlich für Leib und Leben?
Johannes Hübner: Daher betonen wir in unserem Guidebook mehrfach, wie wichtig Sicherheit und Sorgfalt im Umgang mit Hochvolt-Technik sind. Wer nicht bereit ist, sich intensiv mit dem Thema Sicherheit auseinanderzusetzen und in Schutzkleidung zu investieren, sollte die Finger von einem Umbauprojekt lassen. Natürlich wäre es am besten, sich in persönlichen Trainings von erfahrenen Experten im Umgang mit HV-Systemen schulen zu lassen. Allerdings werden derartige Qualifizierungen zumindest in Deutschland bisher nicht für Privatpersonen angeboten, sondern nur für Mitarbeiter in Branchen wie dem Kfz-Handwerk. Das sollte sich ändern.
Was sind die größten Herausforderungen bei einem Elektroumbau?
Johannes Hübner: Wer einen Verbrenner auf Elektro umbaut, ist an vielen Stellen gefordert – zum Beispiel, wenn mithilfe von Software die verschiedenen Komponenten zu einem Gleichklang orchestriert werden müssen. Mechanisch am anspruchsvollsten dürfte das Verbinden des Elektromotors mit dem vorhandenen Schaltgetriebe des Verbrenners sein. Verbinden heißt, beide Naben über eine eigens in Präzisionsarbeit hergestellte Kupplung zusammenzufügen und die zwei Komponenten mithilfe von Adapterplatten und Abstandsringen zu verschrauben.
Kann ich jedes Auto umbauen?
Johannes Hübner: Oft hört man, man solle nur ältere Modelle mit wenig Elektronik umbauen. Das ist grundsätzlich zwar richtig, aber auch moderne Fahrzeuge wie Philips Toyota Baujahr 2012 oder mein Touran Baujahr 2004 lassen sich umrüsten. Im Prinzip ist jedes Fahrzeug geeignet, das eine Gewichtszunahme und die Leistung des Elektromotors verkraftet. Ein Thema können hier dann etwa Stoßdämpfer und Federn sein. Da beim Volvo das größte Batteriepaket im hinteren Teil des Fahrzeugs platziert ist und 113 Kilogramm wiegt, hat Udo nicht nur stärkere Federn eingebaut, sondern das Fahrzeug auch höhergelegt. Fest steht: Wenn Umrüstungen mittelfristig einen nennenswerten Beitrag zu Klimaschutz und Ressourcenschonung leisten sollen, dann müssen in Zukunft sogar vor allem moderne Fahrzeuge in großer Stückzahl umgerüstet werden.
Warum haben Sie sich ausgerechnet für einen Volvo 850 Kombi, Baujahr 1993, entschieden, um Ihren Umbau in Buchform zu dokumentieren?
Udo Kessler: Ich fahre schon sehr lange Volvo-Kombis. Beruflich vor allem V70- und V60-Modelle. Privat hatte ich lange einen Volvo 265, Baujahr 1980. So lag es nahe, einen Volvo umzubauen. Ich habe den 265er verkauft und mir einen 850er zugelegt. Einen 850er, weil er sehr solide gebaut und gut gegen Rost geschützt ist und damit beste Voraussetzungen für ein zweites Autoleben mitbringt.
Wie wirkt sich der Umbau auf Leistung und Reichweite des Fahrzeugs aus?
Philip Schuster: Die Leistung entspricht in etwa der vor dem Umbau. Die Reichweite hängt von der Fahrweise, der Durchschnittsgeschwindigkeit, aber auch von der Jahreszeit ab und liegt zwischen 130 und 150 Kilometer. Das ist für Udos Fahrprofil mit Tageslaufleistungen von 50 bis 70 Kilometern vollkommen ausreichend, da er zu Hause an der Wallbox über Nacht laden kann.
Warum reicht es nicht, nur auf neue Elektrofahrzeuge zu setzen, um die Verkehrswende herbeizuführen?
Udo Kessler: Weil wir das Thema Ressourcen im Blick behalten müssen. Dazu gehört, bereits Verwendetes wie ein hochwertiges Automobil möglichst lange zu nutzen. Und auch die Zweitverwertung von Komponenten aus Elektrofahrzeugen spielt mit jedem Tag eine wichtigere Rolle. Umbauten erfüllen beide Bedingungen. Sie sind also ein Beispiel dafür, wie wir nachhaltiger wirtschaften und konsumieren können – und die Verkehrswende hin zur E-Mobilität angesichts begrenzter Ressourcen, z.B. Seltener Erden, tatsächlich schaffen können.
Wie könnte man Konsumenten davon überzeugen, lieber ein Bestandsfahrzeug umzurüsten statt ein neues Auto zu kaufen?
Johannes Hübner: Viele Familien haben mehrere Fahrzeuge. Wenn sie ihre Mobilität nachhaltiger gestalten wollen, dann wäre ein Szenario, als nächsten Neuwagen ein Elektrofahrzeug anzuschaffen und den Zweitwagen auf Elektro umzubauen. Oder – falls die finanziellen Mittel für ein neues Elektrofahrzeug nicht ausreichen – nur auf einen Umbau zu setzen.
Ihr Motto lautet „Umbauen statt tiefer legen” – wie wollen Sie auch die Hobby-Schrauber von diesem Ansatz überzeugen?
Philip Schuster: Nun, zum Beispiel mit dem Guidebook. Es zeigt: Umbauten sind spannende und sinnvolle Projekte, die auch noch Spaß machen. Die Schrauber-Community bringt beste Voraussetzungen mit, das Thema Umbauten weiter voranzubringen. Der Claim einer Baumarktkette „Mach es zu deinem Projekt“ trifft es ziemlich gut.
Der deutsche Staat fördert den Kauf von Elektrofahrzeugen. Gilt das auch für Elektroumbauten?
Udo Kessler: Nein, obwohl es vor dem Hintergrund der Ressourcenschonung natürlich sinnvoll wäre. Aber vielleicht ändert sich das ja noch. Andere Länder sind hier weiter: Frankreich fördert Umbauten bereits, und in Kalifornien ist ein entsprechender Vorschlag im Gesetzgebungsprozess.
Was meinen Sie: Werden wir in Zukunft mehr Autos sehen, die auf Elektroantrieb umgerüstet werden?
Udo Kessler: Auf jeden Fall. Die Szene wächst und ist dabei, den Nischenstatus zu verlassen. Gleichzeitig setzt sich auch bei den Automobilherstellern die Erkenntnis durch, dass – wer es ernst meint mit Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft – nicht nur auf die Neuwagenproduktion setzen darf. So hat Renault seine traditionsreiche Fabrik in Flins zu einem Zentrum für Kreislaufwirtschaft in der Mobilitätsbranche umgebaut und entwickelt Umrüst-Kits für Klassiker wie den Renault 4 und 5. Die US-Hersteller Ford und General Motors haben ebenfalls erste Lösungen zum Umbau eigener Bestandsfahrzeuge auf den Markt gebracht. Und auch deutsche Hersteller haben bereits mit Elektroumbauten für ikonische Modelle experimentiert.
Die Autoren
Johannes Hübner:
Als Software-Ingenieur und Initiator der openinverter-Plattfom, habe ich Produkte entwickelt, mit denen sich Komponenten aus Elektrofahrzeugen zweitverwerten lassen. So habe ich schon zu einigen Umrüstungen beigetragen und bereits selbst drei durchgeführt.
Dr. Udo Kessler:
Für mich ist der private Pkw ein guter Startpunkt, etwas für den Klimaschutz zu tun. Deshalb habe ich mich mit dem Thema Elektroumbau beschäftigt und gemeinsam mit Johannes und Philip einen Volvo umgebaut. Ich arbeite vor allem am Schreibtisch und genieße das „Schrauben“ in der Garage als Ausgleich.
Philip Schuster:
Ich baue in meiner Weltreisewerkstatt Fahrzeuge zu geländegängigen Campern um. Inzwischen gehören aber auch Elektroumbauten zu meinen Projekten. Mein erster Umbau war ein Toyota GT86 mit Nissan Leaf-Komponenten.