Geht es um Elektroumbauten, erhalten wertvolle Klassiker und Profi-Umbaubetriebe viel Aufmerksamkeit. Dabei tut sich auch einiges bei Do-it-yourself-Umbauten von Alltagsfahrzeugen – wie ein Volvo 850 zeigt.

Der Volvo 850 GLE ist Baujahr 1993 und hat damit das Mindestalter für einen Klassiker erreicht. Der Kombi steht jedoch für die Tatsache, dass sich auch jüngere Bestandsfahrzeuge mit mehr Elektronik umrüsten lassen. Derartige Projekte stellen einerseits eine lohnende Aufgabe für Deutschlands Schrauber dar. Andererseits schonen sie Ressourcen und Umwelt, vor allem wenn auf gebrauchte Komponenten gesetzt wird.

Die 30 kWh-Antriebsbatterie, der 80 kW-Elektromotor und der dazugehörige Wechselrichter stammen aus einem Nissan Leaf, Baujahr 2016; DC/DC-Wandler und 11 kW-Ladegerät kommen aus einem Tesla Model S, Baujahr 2015; und die 5 kW-Hochvolt-Heizung arbeitete zuvor in einem Range Rover, Baujahr 2018. Darüber hinaus wurde der Second-Life-Ansatz auch bei den Zusatzkomponenten praktiziert. So werden etwa gebrauchte elektrische Vakuum- und Ölpumpen für Bremskraftverstärker und Servolenkung verwendet.

Die Antriebsbatterie ist im Fahrzeug auf drei Batterieboxen verteilt. Die schwerste befindet sich im Heck. Der Volvo erhielt daher verstärkte Federn und wurde 30 Millimeter höher gelegt. Da eine Box auch im Motorraum untergebracht werden konnte, hat sich die Gewichtsverteilung nur marginal geändert. Im Vergleich zur Ursprungsversion ist der Volvo jetzt zwar 78 kg schwerer, aber die Zuladung ist mit 442 kg immer noch komfortabel.

An einigen Punkten mussten allerdings Abstriche gemacht werden: Zwar ist das Drehmoment der Elektroversion mit 254 Nm höher als im Verbrenner (204 Nm), aber Höchstgeschwindigkeit und Reichweite liegen mit 130 km/h bzw. 130 km deutlich unter den Werten des Benziners. Beides passt aber zum Fahrprofil von Udo Kessler, dem Besitzer des Volvos. Er fährt täglich etwa 15 km ins Büro. Hinzu kommen Einkäufe und Kurtrips in der Region. Dadurch ergibt sich eine Tageslaufleistung von 60 bis 80 km. Geladen wird ausschließlich an der heimischen Wallbox. Eine Ladezeit von etwa zwei Stunden und der Verzicht auf Schnellladung (CCS) sind daher unproblematisch.

Das Volvo-Projekt hat Kessler mit Unterstützung von Philip Schuster und Johannes Hübner realisiert. Schuster kennt sich mit Metallen und Mechanik aus und hat selbst schon einen Toyota GT86, Baujahr 2012, umgebaut; Hübner ist Software-Ingenieur und Gründer der Elektroumbau-Plattform openinverter.org. Zu seinen Umbauten zählen ein VW Touran, Baujahr 2004, und ein Audi A2, Baujahr 2001.

Das dreier Team ist davon überzeugt, dass ein Elektroumbau nichts für Einzelkämpfer ist. Zu breit sind die Anforderungen an Wissen, Fertigkeiten sowie Werkzeugen und Technologien. Jeder Umbauer ist also gut beraten, sich ein Netz an Partnern aufzubauen.

Bei einer Projektlaufzeit von zwei Jahren hat der Volvo-Umbau 18.000 Euro gekostet (ohne Arbeitszeit). Zusätzlich wurden weitere 3.000 Euro in das Fahrzeug gesteckt, zum Beispiel für mechanische Komponenten, neue Kotflügel und eine neu lackierte Heckklappe.

„Der Volvo 850 electric ist zwar kein sportliches oder Reichweiten starkes Fahrzeug. Es eignet sich aber gut als Zweitfahrzeug für den täglichen Einsatz,“ sagt Udo Kessler, „da mein Fahrprofil mit vielen anderen vergleichbar sein dürfte, sehen wir in der Volvo-Konfiguration ein Konzept mit Potenzial.“

Aus diesem Grund gibt es zum Projekt ein detailreiches Buch mit dem Titel „Deep Dive Elektroumbau“. Wer einen Elektroumbau erwägt, soll nach der Lektüre wissen, was auf ihn zukommt – und dann entscheiden. Das Buch soll zudem andere animieren, Umbauten zu dokumentieren, um so den Grundstein für Standardisierung und Kostenreduzierung zu legen. „Wir müssen uns fragen, wie Umbauprozesse standardisiert und kostengünstiger werden können, damit Elektroumbauten einen Beitrag zu nachhaltiger Mobilität leisten können“, sagt Udo Kessler. Nach eigenen Berechnungen reduziert er seinen ökologischen Fußabdruck mit dem Volvo 850 electric um 7,8 Tonnen CO2 pro Jahr. Das entspricht einem wesentlichen Anteil des durchschnittlichen CO2-Abdrucks in Deutschland von 11,2 Tonnen pro Person und Jahr.